Umgang mit Veränderungen
Denn das Leben IST Veränderung.
Das Leben ist Veränderung. Veränderung gehört zum Leben dazu. Wir können nichts dagegen tun. Immer verändert sich irgendetwas: z.B. wir selbst, indem wir älter werden und uns weiterentwickeln, Menschen um uns herum, die Umwelt, die Jahreszeiten, die Technik, die Mode. Besonders deutlich wurde die permanente Veränderung um uns herum und in uns zu Zeiten von Corona. Unser Lebensablauf, unsere Handlungsfreiheit, unsere gefühlte Sicherheit, unsere Arbeitsformen, unsere alltäglichen Hygienemaßnahmen und wir selbst haben uns in den letzten Monaten verändert.
Veränderungen an sich sind weder gut noch schlecht
Entscheidend ist, was wir daraus machen. Sie bringen neue Dinge mit sich, mit denen wir erst noch lernen müssen, umzugehen. Und das kann uns stressen. Nehmen wir das Corona-Beispiel, weil es gerade so präsent ist: Abstand zu anderen Menschen halten, von heute auf morgen im Homeoffice mit den zu betreuenden Kindern sitzen, kein Treffen mit Freunden und Familie, Maskenpflicht. All das Neue wirkt zunächst bedrohlich, weil wir nicht einschätzen können, welche möglichen Gefahren und Unannehmlichkeiten damit verbunden sind. Wir halten am Vertrauten fest, denn mit dem kennen wir uns aus.
Doch es sind nicht die Veränderungen selbst, gegen die wir Widerstand leisten
Es sind die Verluste und Abschiede, die wir erfahren und es ist der psychologische Prozess des Übergangs, dessen Phasen wir aushalten müssen. Und hier sehen wir schon: Veränderung und Übergang sind nicht dasselbe. Veränderung ist eine Abweichung vom Status quo, d.h. es gibt eine Situation und die löst eine Veränderung aus und diese stößt den notwendigen Prozess des Übergangs an. Dieser Übergang beginnt mit dem Ende und endet mit dem Anfang. Dazwischen liegt eine neutrale Zone und aus dieser besteht unsere Krise: Das Alte stirbt und das Neue kann noch nicht geboren werden. Direkt vom Alten ins Neue gehen zu wollen, macht uns große Schwierigkeiten. Denn das ist kein Weg von einer Straßenseite auf die andere. Es ist eine Reise von einer Identität zu einer anderen und diese Reise braucht Zeit.
Die drei Phasen Ende, Neutrale Zone und Neuanfang finden nicht getrennt voneinander statt
Eine Phase dominiert zwar meistens, doch es sind eher drei Prozesse, die zeitgleich in unterschiedlichen Intensitäten verlaufen.
Phase 1 – Das Ende – Loslassen
Anfänge hängen von Abschieden ab. Damit wir uns auf Neues einlassen können, müssen wir zunächst Altes loslassen. Doch was müssen wir überhaupt loslassen? Nehmen wir das – gerade in Krisenzeiten gar nicht so unwahrscheinliche Beispiel – Kündigung. Was verlieren wir, wenn wir gekündigt werden? Wir verlieren unseren Job, vielleicht sogar unsere Identität, die Zugehörigkeit zu einem Team, einer Organisation, unsere berufliche(n) Rolle(n), unsere Aufgabe, unser Einkommen – um nur einiges zu nennen. All das war über Jahre ein Teil von uns und daran halten wir intuitiv fest.
Unsere Widerstände richten sich nicht gegen die Veränderung, die auch positive Aspekte haben kann, selbst, sondern gegen die Verluste, die wir dabei erleiden. Daher sind bei Veränderungen in Unternehmen immer die Mitarbeiter im Blick zu halten und das mit Fokus auf ihre individuellen Verluste. In unserem Beispiel sind das die gekündigten und gleichzeitig auch die bleibenden Mitarbeiter. Denn auch diese verlieren etwas, wenn ihre Kollegen gehen.
Die Mitarbeiter müssen das Alte loslassen, alte Verhaltensmuster, Rollen und Identifikationen ablegen und sich verabschieden von einem Stück bewährter Identität. Gefühle, die sie dabei durchleben, helfen ihnen die Situation zu akzeptieren und sollten daher nicht unterdrückt werden. Sie brauchen jetzt Zeit diese Gefühle zu verarbeiten und Unterstützung beim Umgang mit Verlusten. Verständnis und Transparenz und auch Wertschätzung des Vergangenen sind in dieser Phase des Abschieds wichtig.
Phase 2 – die neutrale Zone – das Alte ist vorbei und das Neue funktioniert noch nicht
Diese Phase ist ein seltsamer Schwebezustand. Je nachdem wie tiefgreifend und persönlich bedeutsam die Veränderung ist, finden hier erhebliche Umstrukturierungsprozesse auf der Ebene der Identität statt. Im Chaos emotionaler Verunsicherung sehen wir noch nicht die neuen Möglichkeiten, die sich aus der Veränderung ergeben können. Jetzt ist es wichtig, nicht vorschnell in einfache Lösungsansätze zu fliehen. Wenn wir diese intensive Phase akzeptieren und den Prozess aushalten, beginnt sich langsam das Neue zu formieren.
Beim Durchqueren dieser neutralen Zone geht es um Neuorientierung. Gekündigte Mitarbeiter sollten in dieser Phase unterstützt werden. Zum Beispiel dabei, einen Schritt zurückzutreten und Bilanz zu ziehen, sowohl in Bezug auf ihre Karriere aber auch auf ihr Leben. Aber auch bei der Ermutigung Neues zu entdecken und kreativ nach vorn zu denken. Doch auch die bleibenden Mitarbeiter brauchen in dieser Phase Begleitung. Hier hilft den Mitarbeitern ein roter Faden, an dem sie sich entlanghangeln können. Durch intensiven Kontakt in Einzelgesprächen kann man in Erfahrung bringen, wer was verliert und so Verständnis für Widerstände erlangen. Vielleicht macht es Sinn als Ausgleich für Verlorenes neue Rollen, die jetzt unterstützen können, zu vergeben oder neue Teamstrukturen einzuführen. Es geht aber auch darum, die verbleibenden Mitarbeiter zu ermutigen, dazu zu lernen, Neues auszuprobieren und Innovation voranzubringen. Denn kreatives Denken ist in dieser Zeit besonders wichtig. In diesem Zusammenhang ist es unentbehrlich herauszufinden, was Führungskräfte benötigen, um in der neutralen Zone erfolgreich führen zu können.
Phase 3 – Neubeginn
Wenn sich alle Mitarbeiter in die neue Situation „Stellenabbau“ einfinden, haben wir einen Neustart geschafft. Wir befinden uns dann aber noch in der neutralen Zone. Der Neustart ist die neue geplante Situation als Konsequenz neuer Umstände und unterscheidet sich vom Neuanfang, der durch neues Verstehen, neue Einstellungen und neue Identitäten geprägt ist und sich nicht nach den Daten richtet, die im Umsetzungsplan vermerkt sind. Der Neuanfang ist das Ende des Übergangsprozesses.
Wirksame Unterstützung im Transition-Prozess
In den meisten Change-Prozessen, wird die o.g. Unterscheidung nicht gemacht und von einem automatischen Neuanfang ausgegangen. Das hat ganz oft zur Folge, dass die Mitarbeiter auf der Strecke bleiben und sich nicht verstanden fühlen. Die Mitarbeiter können im Neuanfang unterstützt werden, indem der Sinn für die Veränderung verständlich gemacht und in bildhafter Sprache gesprochen wird, der Übergang Schritt für Schritt geplant wird, Veränderungen spürbar gemacht werden, was wiederum zur Mitwirkung motiviert.
Jetzt geht es darum den Neuanfang zu stärken. Mitarbeiter benötigen jetzt vor allem Wertschätzung und Feedback und das Gefühl, dass es ihnen durch die Veränderung (ihrer Einstellung und ihres Verhaltens) besser geht. Sie brauchen schnelle Erfolge, denn die neutrale Zone hat ihr Selbstvertrauen auf die Probe gestellt. Hilfreich kann hier auch sein, den Neuanfang, der etabliert werden soll, zu symbolisieren. Und zu guter Letzt sollte die schwierige Zeit in der Geschichte der Organisation und der Karriere des Mitarbeiters anerkannt werden.
Im Übergangsprozess spielt die Führungskraft eine ganz besondere Rolle
Es ist nicht nur ihre Aufgabe, Ziele aufzuzeigen, sondern vor allem die Menschen durch die Veränderung hindurchzuführen. Mitarbeiter brauchen in schweren Zeiten Hilfe, indem die Führungskraft die Prioritäten setzt und ihnen so ein Gefühl der Unterstützung und Kontrolle gibt. Hier ist insbesondere eine klare Kommunikation und gleichzeitig Sensibilität für das eigene Handeln sowie Souveränität gefragt. Und Mitarbeiter brauchen Vertrauen in ihre Führungskraft und in das Management. Dann sind sie bereit, eine Veränderung zu durchlaufen, auch wenn sie ihnen Angst macht.