Veränderung gelingend gestalten

ROMY LEBERLING über einen gelingenden Umgang mit Veränderungen - inspiriert von William Bridges‘ Managing Transition-Modell

Das Leben ist Veränderung. Veränderung gehört zum Leben dazu. Wir können nichts dagegen tun. Immer verändert sich irgendetwas – die Umwelt, die Jahreszeiten, die Technik, die Mode und unvermeidlich auch wir selbst, indem wir älter werden und uns und unsere Persönlichkeit weiterentwickeln.

Veränderungen an sich sind weder gut noch schlecht

Veränderungen, die von außen kommen und die wir selbst nicht beeinflussen können, lösen bei uns häufig Stress aus. Besonders deutlich wurde dies für uns alle gemeinsam zu Zeiten von Corona. Unser Tagesablauf, unsere Handlungsfreiheit, unsere gefühlte Sicherheit, unsere Arbeitsformen und unsere alltäglichen (Hygiene-)Routinen haben sich von jetzt auf gleich drastisch verändert.

Für die meisten von uns bedeutete dies Stress, in Form von Verunsicherung, Ängsten und Sorgen. Abstand halten, von heute auf morgen im Homeoffice, Maskenpflicht. All das Neue wirkte zunächst bedrohlich, weil wir nicht einschätzen konnten, welche möglichen Gefahren und Unannehmlichkeiten damit verbunden sind. Wir halten intuitiv am Vertrauten fest, denn hier kennen wir uns aus. Und das gibt Sicherheit.

Doch Veränderungen an sich sind weder gut noch schlecht. Sie bringen lediglich neue Dinge mit sich, mit denen wir erst noch lernen müssen, umzugehen. Entscheidend ist also, was wir daraus machen. Was kann uns dabei helfen, gut mit Veränderungen umzugehen?

Es sind nicht die Veränderungen selbst, gegen die wir Widerstand leisten

Dazu, wie das gelingen kann, hat der amerikanische Autor und Organisationsberater William Bridges ein Modell entwickelt, das für unsere Arbeit bei CHANGEsupport rund um Veränderungsprozesse und -anliegen zentral ist.

Bridges lädt uns mit seinem „Managing Transition“-Ansatz ein, einen neuen bzw. genauerer Blick auf Veränderung und unsere typischen Reaktionsmuster im Verlauf einer Veränderung zu werfen. Denn es sind nicht die Veränderungen selbst, gegen die wir Widerstand leisten. Es sind die damit verbundenen Verluste und Abschiede, die wir durch sie erfahren und es ist der psychologische Prozess des Übergangs, dessen drei unverzichtbare Phasen wir durchleben müssen, um im Neuen anzukommen.

Und hier sehen wir schon: Veränderung und Übergang sind nicht dasselbe. Veränderung ist eine – oft abrupte – Abkehr vom Status quo, d.h. es gibt eine Situation und die löst eine Veränderung aus und diese stößt den folgenden Prozess des Übergangs an.

Dieser Übergang beginnt mit einem Ende und endet mit einem Anfang. Dazwischen liegt eine „neutrale Zone“ und aus dieser besteht unsere Krise: Das Alte stirbt und das Neue kann noch nicht geboren werden. Der unmögliche Wunsch, direkt vom Alten ins Neue zu gehen – um dort neue Sicherheit zu finden – macht uns große Schwierigkeiten. Denn das ist kein direkter Weg von einer Straßenseite auf die andere. Es ist eine Reise von einer Identität zu einer anderen – und diese Reise braucht Zeit.

Managing Transition – Wir durchleben Veränderungen in drei Phasen: Ende, Neutrale Zone und Neubeginn

Bridges unterteilt unser Erleben von Veränderungen in drei Phasen. Auch wenn im Zeitverlauf meistens eine Phase dominiert, sind es doch drei überlappende Parallel-Prozesse, die zeitgleich in unterschiedlichen Intensitäten verlaufen.

Phase 1 – Das Ende – Loslassen

Anfänge brauchen Abschiede. Damit wir uns auf Neues einlassen können, müssen wir zunächst Altes loslassen. Doch was müssen wir überhaupt loslassen? Nehmen wir das – gerade in Krisenzeiten gar nicht so unwahrscheinliche Beispiel – Kündigung.

Was verlieren wir, wenn wir gekündigt werden? Wir verlieren unseren Job, vielleicht sogar unsere berufliche Identität, die Zugehörigkeit zu einem Team, einer Organisation, unsere berufliche(n) Rolle(n), unsere Aufgabe, unser Einkommen – um nur einiges zu nennen. All das war über Jahre ein Teil von uns und daran halten wir intuitiv fest.

Unsere Widerstände richten sich nicht gegen die Veränderung selbst – die ja auch positive Aspekte haben kann -, sondern gegen die Verluste, die wir dabei erleiden.

Daher sind bei Veränderungen in Unternehmen immer die Mitarbeiter im Blick zu halten und das mit Fokus auf ihre individuellen Verluste. In unserem Beispiel sind das die gekündigten und gleichzeitig auch die bleibenden Mitarbeiter. Denn auch diese verlieren etwas, wenn ihre Kollegen gehen.

Die Mitarbeiter müssen das Alte loslassen, alte Verhaltensmuster, Rollen und Identifikationen ablegen und sich verabschieden von einem Stück bewährter Identität. Gefühle, die sie dabei durchleben, helfen ihnen die Situation zu akzeptieren und sollten daher nicht unterdrückt werden. Sie brauchen jetzt Zeit diese Gefühle zu verarbeiten und Unterstützung beim Umgang mit Verlusten. Verständnis und Transparenz und auch Wertschätzung des Vergangenen sind in dieser Phase des Abschieds wichtig.

Phase 2 – die neutrale Zone – das Alte ist vorbei und das Neue funktioniert noch nicht

Diese Phase ist ein seltsamer Schwebezustand. Je nachdem wie tiefgreifend und persönlich bedeutsam die Veränderung ist, finden hier erhebliche Umstrukturierungsprozesse auf der Ebene der Identität statt.

Im Chaos emotionaler Verunsicherung erkennen wir noch nicht die neuen Möglichkeiten, die sich aus der Veränderung ergeben können. Jetzt ist es wichtig, nicht vorschnell in einfache Lösungsansätze zu fliehen. Wenn wir diese intensive Phase akzeptieren und den Prozess aushalten, beginnt sich langsam das Neue zu formieren.

Beim Durchqueren der Neutralen Zone geht es um Neuorientierung. Gekündigte Mitarbeiter sollten in dieser Phase unterstützt werden. Zum Beispiel dabei, einen Schritt zurückzutreten und Bilanz zu ziehen, sowohl in Bezug auf ihre Karriere aber auch auf ihr Leben. Aber auch bei der Ermutigung Neues zu entdecken und kreativ nach vorn zu denken.

Doch auch die bleibenden Mitarbeiter brauchen in dieser Phase Begleitung. Durch intensiven Austausch in Einzelgesprächen können Führungskräfte oder HR in Erfahrung bringen, wer welche Aspekte als Verlust in der Veränderung empfindet und so Verständnis für mögliche Widerstände – und eventuelle Lösungsmöglichkeiten – entwickeln. Vielleicht macht es Sinn, als Ausgleich für Verlorenes veränderte Rollen oder andere Teamstrukturen einzuführen.

Zugleich geht es auch darum, die verbleibenden Mitarbeiter zu ermutigen, dazu zu lernen, Neues auszuprobieren und Innovation voranzubringen. Denn die Neutrale Zone hat auch ein großes kreatives Potential. Im „Chaos“ der Veränderungen lassen sich besonders gut veraltete und überlebte Regeln, Routinen und Prozesse verändern und verabschieden.

Kreatives Denken zu fördern, ist in dieser Zeit also besonders lohnenswert und wichtig. In diesem Zusammenhang ist es für Geschäftsführung und HR unentbehrlich herauszufinden, was Führungskräfte benötigen, um in der Neutralen Zone erfolgreich führen zu können.

Phase 3 – Neubeginn – Das Neue wird Teil der Identität

Wenn sich alle Mitarbeiter in der neuen Situation „Stellenabbau“ wiederfinden, ist ein Meilenstein erreicht – jedoch nur auf informativ-prozessualer Ebene. Wir befinden uns dann aber noch immer in der Neutralen Zone. So ein fakten-orientierter, geplanter Neustart als Konsequenz neuer Umstände unterscheidet sich vom Neubeginn, der dritten Phase im Managing Transitions-Modell. Die Phase des Neubeginns ist durch neues Verstehen, neue Einstellungen und das Ausbilden neuer Identitäten geprägt. Diese Entwicklung richtet sich nicht nach Daten und Fakten im Umsetzungsplan des Change-Prozesses, sondern wird von allen Beteiligten zu individuellen Zeitpunkten erlebt.

Oft ist diese Phase von einem Gefühl von Aufbruch geprägt, das Neue wird auch mit seinen Chancen angenommen und beginnt zu „funktionieren“. Bei unserem Beispiel „Kündigungen“ könnten typische Merkmale sein, dass Mitarbeiter, Motivation aus zusätzlichen oder veränderten Aufgaben ziehen, die sie nun übernommen haben, oder, dass die angestrebten Verbesserungen in der Team-Strukturen beginnen zu wirken und sich der Fokus von der Innenwelt der Organisation insgesamt wieder stärker nach außen zu den Kunden und deren Anforderungen ausrichtet. Der Neubeginn ist zugleich das Ende des Übergangsprozesses.

Wirksame Unterstützung im Transition-Prozess

​In den meisten Change-Prozessen wird die o.g. bewusste Unterscheidung zwischen Veränderung und Übergang nicht gemacht und von einem automatischen Neustart qua Verkündung bzw. Umsetzung der Änderung ausgegangen. Das hat ganz oft zur Folge, dass die Mitarbeiter auf der Strecke bleiben und sich nicht verstanden oder vom Prozess entkoppelt fühlen.

Die Mitarbeiter können im Neubeginn unterstützt werden, indem der Sinn für die Veränderung verständlich gemacht, bildhaft und greifbar kommuniziert wird, der Übergang Schritt für Schritt nachvollziehbar geplant wird, erste Veränderungen und Zwischenerfolge erlebbar gemacht werden, was wiederum zur Mitwirkung motiviert.

Jetzt geht es darum das Gefühl von Neubeginn zu stärken. Mitarbeiter benötigen jetzt vor allem Orientierung, Wertschätzung und Feedback und das Gefühl, dass es ihnen durch die Veränderung (ihrer Einstellung und ihres Verhaltens) besser geht. Sie brauchen schnelle Erfolge, denn die neutrale Zone hat ihr Selbstvertrauen auf die Probe gestellt. Hilfreich kann hier auch sein, den Neubeginn, der etabliert werden soll, symbolisch zu markieren. Und zu guter Letzt sollte die schwierige Zeit in der Geschichte der Organisation und der Karriere des Mitarbeiters anerkannt werden.

Führung ist der größte Hebel für gelingende Veränderung

Aus all dem wird deutlich, dass den Führungskräften eine ganz besondere Rolle im Veränderungsprozess zukommt. Es ist nicht nur ihre Aufgabe, die Ziele aufzuzeigen, sondern vor allem die Menschen durch die Veränderung hindurchzuführen. Mitarbeiter brauchen in bewegten Zeiten Hilfe, indem die Führungskraft die Prioritäten setzt, Haltepunkte schafft und ihnen so ein Gefühl der Unterstützung und Kontrolle gibt. Hier ist insbesondere eine klare Kommunikation und gleichzeitig Sensibilität für das eigene Handeln sowie Souveränität gefragt. Wenn Mitarbeiter in ihre Führungskraft und in das Management vertrauen können, sind sie bereit, sich auf die Veränderung einzulassen, auch wenn sie ihnen Angst macht, und sie kommen schneller und resilienter in der Phase des Neubeginns an.

Worauf wir unser Augenmerk im Veränderungsmanagement legen

Bei verschiedensten Veränderungsmandaten, die wir bei CHANGEsupport begleiten durften, haben wir die Praxis-Relevanz und auch das Wirkpotential des Managing-Transition-Ansatzes schon oft in der Unternehmenspraxis beobachten können.

Das Denken in Übergängen und das Wissen um unsere inneren Prozesse in Veränderungsphasen stärkt uns jedes Mal aufs Neue darin, unseren Fokus auf drei zentrale Veränderungshebeln zu legen, nämlich:

  • Führungskräfte und Management für ihre Veränderungsaufgaben befähigen und stärken
  • Transparente, vertrauensbildende Kommunikation im Change fördern
  • Die entstehenden Widerstände, Konflikte und Spannungen – auf Team-Ebene und intrapersonell – konstruktiv zu begleiten und zu lösen